Winterreise (Texte)
Ich schreibe nur im Gehen
Ans Tor noch gute Nacht,
Damit du mögest sehen,
Ich hab an dich gedacht.
Der Wind spielt drinnen mit den Herzen,
Wie auf dem Dach, nur nicht so laut.
Was fragen sie nach meinen Schmerzen?
Ihr Kind ist eine reiche Braut.
Gefrorne Tropfen fallen
Von meinen Wangen ab:
Und ist's mir denn entgangen,
Daß ich geweinet hab?
Ich such im Schnee vergebens
Nach ihrer Tritte Spur,
Hier, wo wir oft gewandelt
Selbander durch die Flur.
Der du so lustig rauschest,
Du heller, wilder Fluß,
Wie still bist du geworden,
Gibst keinen Scheidegruß.
Mit harter, starrer Rinde
Hast du dich überdeckt,
Liegst kalt und unbeweglich
Im Sande hingestreckt.
Schaue nach dem einen Blatte,
Hänge meine Hoffnung dran:
Spielt der Wind mit meinem Blatte,
Zittr' ich, was ich zittern kann.
Und morgen früh ist alles zerflossen. -
Je nun, sie haben ihr Teil genossen,
Und hoffen, was sie noch übrig ließen,
Doch wieder zu finden auf ihren Kissen.
Wie hat der Sturm zerrissen
des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
Umher in mattem Streit
Und rote Feuerflammen
Ziehn zwischen ihnen hin.
Das nenn ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn!
Und eine liebe Seele drin -
Nur Täuschung ist für michGewinn!
Doch an den Fensterscheiben
Wer malte die Blätter da?
Ihr lacht wohl über den Träumer,
Der Blumen im Winter sah?
Ich träumte vonLieb und Liebe,
Von einer schönen Maid,
von Herzen und von Küssen,
Von Wonn und Seligkeit.
Und mit starren Fingern
Dreht er was er kann.
Barfuß auf dem Eise
Wankt er hin und her.
Wilhelm Müller (1794 - 1827)